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Sittenwidrigkeit von sogenannten Behindertentestamenten

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Foerster

Das OLG Hamm hat eine weitere, wichtige Entscheidung zur Sittenwidrigkeit so genannter Behindertentestamente gefällt. Bei diesen geht es darum, den Nachlass der Eltern so geschickt an das eigene Kind mit Behinderung zu vermachen, dass der Träger der Sozialhilfe hierauf keinen Zugriff nehmen kann. Geklagt hatte ein Sozialamt auf Feststellung der Sittenwidrigkeit eines Testamentes, durch das ein behindertes Kind mittelbar in den Besitz erheblicher Beträge aus dem Nachlass der Eltern kam.

Zunächst stellte das OLG Hamm fest, dass eine Differenzierung nach der Höhe des dem Kind vermachten Vermögens unzulässig sei. Denn, so das Gericht, es könne weder eine Wertung des Gesetzgebers noch eine allgemeine Rechtsauffassung festgestellt werden, wonach Eltern eines behinderten Kindes ab einer gewissen Größe ihres Vermögens einen über den Pflichtteil hinausgehenden Erbteil diesem hinterlassen müssen, damit das Kind mit Behinderung nicht ausschließlich der Allgemeinheit zur Last falle.

Sodann bestätigt das Oberlandesgericht, dass die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Testierfreiheit es dem Erblasser gestatte, sein behindertes Kind zu benachteiligen. Seine Freiheit finde ihre Grenzen ausschließlich im Pflichtteilsrecht, dass den nächsten Angehörigen einen Mindestanteil an seinem Vermögen sichere. Auch dem Argument des Sozialamtes, Leistungen nach SGB XII sein subsidiär, vermochte das OLG nicht zu folgen. Denn dieser Grundsatz würde lediglich das Verhältnis des Sozialhilfeempfängers zum Sozialhilfeträger betreffen. Es komme insofern nur auf tatsächlich dem Sozialhilfeberechtigten zugewandte Mittel an. Eine Verpflichtung des Erblassers zur weiteren Unterstützung des sozialhilfeberechtigten Kindes ließe sich hieraus jedoch nicht herleiten.

OLG Hamm vom 27.10.2016 zum Az. 10 U 13/16