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Seit dem 1. Januar 2017 gibt es im Rahmen der Pflegeversicherung einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Eingeführt wurde dieser durch das Pflegestärkungsgesetz II. Was das für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bedeutet, erläutern wir hier.

Die gute Nachricht vorweg: An den Leistungen der Pflegeversicherung ändert sich nichts Wesentliches. Es kommen keine grundsätzlich neuen Leistungen hinzu, bestehende Leistungen fallen nicht weg. Insgesamt wird man sagen können, dass der Leistungsumfang insbesondere im Bereich der ambulanten Pflege sogar leicht nach oben geht. Und wie schon aus den ganzen vergangenen Gesetzesnovellen bekannt, wird die stationäre Pflege mal wieder weitgehend leer ausgehen.

Die wichtigste Änderung durch das Pflegestärkungsgesetz II wird es im Rahmen der Begutachtung geben. Denn das bisherige Verfahren wird komplett umgebaut. Dieses war bisher recht einfach. Denn der Prüfer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) hat letztlich nicht mehr getan, als die Zeit für die notwendige Pflege in Minuten zu messen. Daraus konnte er dann sofort die Pflegestufe abgeleitet.

Das künftigen Verfahren, man spricht hier vom Neuen Begutachtungsassessment (NBA) wird deutlich komplizierter sein.

In einem ersten Schritt wird der MDK-Prüfer anhand von 64 Fragen, die auf sechs Module aufgeteilt sind, Grad der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen feststellen. Und hier geht es schon los. Das passiert aber nur bei ca. der Hälfte der Module. In manchen wird der Prüfer feststellen, in wieweit noch Fähigkeiten vorhanden sind. In anderen muss er einfach nur zählen, wie häufig bestimmte Ereignisse auftreten. So oder so, in (nahezu allen) Fällen steht dem Prüfer hierfür eine 4er-Skala zur Verfügung (bspw. von „selbständig“ über „überwiegend selbständig“ über „überwiegend unselbständigt“ bis hin zu „unselbständig“). Und je nach dem, für welche Alternative er sich entscheidet, ergeben sich unterschiedliche Punktzahlen (in der Regel zwischen 0 und 3). Je unselbständiger, desto mehr Punkte.

Abschließend addiert der Prüfer die Punkte alle Fragen je Modul. Am Ende stehen also sechs unterschiedliche Punktwerden.

Diese müssen nun auf ein einheitliches Niveau gebracht werden, was im zweite Schritt erfolgt. So gibt es im Modul 1 fünf Fragenmit jeweils maximal drei Punkten. Die höchste erreichbare Punktzahl im Modul 1 liegt also bei 15 (5 Fragen x 3 Punkte). Im Modul 2 gilt es aber elf Fragen, die ebenfalls mit bis zu drei Punkten bewertet werden können. Hier kann man also maximal 33 Punkte erreichen. Um nun zu vermeiden, dass Modul 2 doppelt so gewichtig ist, müssen alle Module auf ein einheitliches Schema umgerechnet werden. Dabei ist es eigentlich nicht richtig, von „rechnen“ zu reden. Die Umstellung erfolgt per Tabelle auf einen für alle Module einheitlichen Grad der Beeinträchtigung. Hierbei handelt es sich um einer 5er-Skala.

Im dritten Schritt erfolgt eine Gewichtung dieses so errechneten Grades der Beeinträchtigung. Denn man ist der Auffassung, dass Beeinträchtigungen in der Mobilität (Modul 1) keinen so großen Einfluss letztlich auf den Pflegegrad haben soll wie beispielsweise Beeinträchtigungen bei der Selbstversorgung (Modul 4). Auch das ergibt sich wieder aus einer Tabelle.

Diese Punktzahl der Module, man spricht von gewichteten Punkten, wird erneut addiert. Jetzt erhält man einen Wert zwischen 0 und 100.

Und im vierten Schritt „errechnet“ der MDK-Prüfer anhand einer dritten Tabelle aus diesen gewichteten Punkten, welcher Pflegegrad zuzusprechen ist.

Das Verfahren zur Bestimmung einer Pflegestufe ist also rein mathematischer Natur und einer Einflussnahme des MDK-Prüfers entzogen. Sein Einfluss erstreckt sich ausschließlich auf den ersten Schritt. Den Rest wird in der Praxis der Laptop des MDK-Prüfers machen. Insofern hat der Gesetzgeber schon recht, wenn er davon spricht, dass das neue Begutachtungsverfahren transparent ist.

Das darf allerdings nicht damit verwechselt werden, dass das neue Verfahren alles andere als auf den ersten Blick verständlich ist. Nur wer sich regelmäßig damit beschäftigt, wird es verstehen.

Sollten Sie also Zweifel an der richtigen Einstufung in eine der neuen Pflegegrade haben, dann scheuen Sie sich nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Wir erläutern Ihnen gerne das Verfahren und prüfen die vorliegenden Bescheide.

Zur Vorbereitung bieten wir Ihnen kostenfrei einen Bewertungsbogen zur Selbsteinschätzung an, den Sie hier herunterladen können. Auch können Sie über unseren Pflegegradrechner eine Selbsteinschätzung vornehmen. Sie erhalten dann unmittelbar Ihren Pflegegrad angezeigt.

Foerster, Rechtsanwalt
Stand: 24.09.2016